Mit der Abkündigung des monolithischen LVDT-Treiberbausteins AD698 von Analog Devices entfällt eine zentrale Komponente vieler analoger LVDT-Elektroniken. Für Hersteller und Entwickler bedeutet dies erhebliche Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung bestehender Systeme sowie bei der Entwicklung neuer, kompatibler Lösungen. eddylab GmbH begegnet dieser Problematik mit der vollständigen Neuentwicklung einer digitalen LVDT-Elektronik: Die DEEneo basiert auf einem Mikrocontroller und ersetzt nicht nur die Funktionalität des AD698, sondern bietet darüber hinaus eine Linearisierung und eine Temperaturkompensation. Der Beitrag zeigt die technischen Grundlagen, Herausforderungen und Vorteile des Übergangs von analog zu digital anhand eines praxisorientierten Systemdesigns.
Induktive Voll- und Halbbrücken, sogenannte LVDT (Linear Variable Differential Transformer) sind induktive Sensoren zur Wegmessung und benötigen eine LVDT-Elektronik für den Betrieb und die Erzeugung eines Ausgangssignals. Viele Hersteller und Entwickler von LVDT-Elektroniken bedienen sich für die Aufbereitung des Rohsignales gerne eines universellen monolithischen LVDT-Treiberbausteines wie z.B. den AD698 von Analog Devices. Die Entwicklung gestaltet sich relativ simpel, da Schaltung und Layout teils vom Hersteller des Chips vorgegeben werden. Problematisch wird es jedoch, wenn ein solcher Baustein – wie im Falle des AD698 – abgekündigt wird: Entwickler stehen dann unter erheblichem Zeitdruck, eine leistungsfähige und kompatible Ersatzlösung zu realisieren.
Abb. 1: Prinzipschaltbild LVDT-Treiberbaustein AD698
Zum einen wird die Primärspule mit einer Sinusspannung von etwa 1 bis 5 Volt und einer Frequenz von ca. 1…20 kHz versorgt. Spannung und Frequenz sind vom LVDT-Sensor bzw. vom Hersteller vorgegeben und wichtig für eine gute Linearität und Empfindlichkeit. Diese Vorgabewerte muss eine LVDT-Elektronik exakt bereitstellen können, ansonsten sinkt die Performance des Sensors. Eine zu geringe Primärspannung verschlechtert das Signal-Rausch-Verhältnis und die Auflösung des Sensors sinkt. Dagegen kann eine zu hohe Primärspannung Sättigungseffekte und eine ungewünschte Eigenerwärmung des Sensors bis hin zum hörbaren Pfeifen des Kernes durch die Magnetostriktion bewirken. Wird ein Sensor beispielsweise mit falscher Frequenz versorgt, dann kann sich die Linearität signifikant verschlechtern und damit weit außerhalb der Sensorspezifikation liegen. Des Weiteren ist das Übertragungsverhalten des Sensors frequenzabhängig, so dass bei falscher Wahl der Versorgungsfrequenz die Empfindlichkeit sinkt und folglich das Ausgangsrauschen steigt. Die Auflösung des Sensors wäre somit verschlechtert. Versorgt man den Sensor mit der richtigen Spannung und Frequenz, ist damit aber noch nicht genüge getan. Es ist die Aufgabe der LVDT-Elektronik, eine verzerrungsfreie und möglichst konstante und temperaturunabhängige Sinusspannung für die Primärspule bereitzustellen, da jegliche Störung oder Drift in das Sekundärsignal eingeht und das Ausgangssignal des Gesamtsystems negativ beeinflussen würde. Schließlich arbeitet ein LVDT-Sensor nach dem transformatorischen Prinzip, der abhängig von der Position des ferromagnetischen Kernes die Primärspannung über das erzeugte Magnetfeld in die Sekundärspulen induziert. Die vom Sensor zurückgegebene Sekundärspannung kann folglich nur so gut sein, wie die von der LVDT-Elektronik bereitgestellte Primärspannung. Dazu ist ein präziser spannungs- und frequenzstabilisierter Signalgenerator notwendig, der die Primärspule versorgt. Im Falle des AD698 von Analog Devices wird dies durch einen Oszillator übernommen, der von einer hinreichend genauen Referenz versorgt wird.
Weiter übernimmt der Treiberbaustein die Demodulation der Sekundärspannung und bildet ein ratiometrisches Teilerverhältnis zwischen der Sekundär- und Primärspannung A/B. Gemessen wird hierzu der Phasenunterschied zwischen Sekundär- und Primärspannung sowie deren Amplitude. Aus diesen Messwerten generiert der Treiberbaustein das Rohsignal des Sensors. Das ratiometrische Messverfahren garantiert einen störsicheren Betrieb des LVDT, da sich eingekoppelte Störungen sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärspannung widerspiegeln, welche durch das Teilerverhältnis weitgehend eliminiert werden. Dies macht den Einsatz des LVDT in „heavy industry“ Applikationen mit großen Leitungslängen zwischen Sensor und Elektronik sehr interessant.
Abb. 2: Beispiel LVDT-Elektronik mit Verwendung des AD698
Ergänzend dazu übernimmt die LVDT-Elektronik die Signalverarbeitung und Filterung. In mehreren Stufen wird das Signal konditioniert, z.B. in Form von aktiven Filterstufen (mehrpoliger Tiefpass), um das Ausgangssignal von der Versorgungsfrequenz der Primärspule zu entkoppeln. Wird der Sensor beispielsweise mit einer Frequenz von 5 kHz an der Primärspule versorgt, so legt man die Eckfrequenz eines 6-poligen Tiefpassfilters in der Ausgangsstufe auf 500 Hz fest, also etwa im Verhältnis 1:10. Bei einem 6-poligen Butterworthfilter beträgt die Dämpfung etwa 120 dB pro Dekade. D.h. mit jeder Verzehnfachung der Frequenz oberhalb der Eckfrequenz wird das Signal um den Faktor 1 Million weiter abgeschwächt. Somit ist gewährleistet, dass keinerlei Frequenzanteile der Versorgungsfrequenz in das Ausgangssignal eingekoppelt werden und so für Störung sorgen.
Nach dieser Filterstufe wird das Signal weiter konditioniert, um das gewünschte Ausgangssignal zu erreichen, wie z.B. unipolare oder bipolare Spannungsausgänge 0…10 V, 0…5 V, ±10 V, ±5 V oder Stromausgänge 0…20 mA, 4…20 mA.
Für die Entwicklung einer LVDT-Elektronik bedeutet dies zunächst ein sorgenfreies Leben, da sich die Eigenleistungen sich im Wesentlichen auf eine rauscharme und bipolare Spannungsversorgung aller Bauteile auf der Platine beschränken. Weiter ist ein Buffer für die Versorgung der Primärspule zu integrieren, um die Eigenerwärmung des AD698 zu minimieren und möglichen Schwierigkeiten hinsichtlich elektromagnetischer Verträglichkeit (EMV) vorzubeugen.
Für den Abgleich zwischen LVDT und AD698 sind Maßnahmen zur Phasenkompensation und Verstärkungseinstellung via DIP-Schalter oder Potentiometer notwendig, um den AD698 in den richtigen Arbeitspunkt zu rücken sowie die Integration eines EMV-Schutzes, Verpol- und Kurzschlussschutz und einer Kabelbrucherkennung. Für einen Entwickler ein einfaches Spiel und man verliert wenig Gedanken darüber, wie eine performante Demodulation aufgebaut wird oder wie der Temperaturkoeffizient des LVDT in Griff zu bekommen ist.
Abb. 3: Schemaplan der analogen LVDT-Elektronik IMCA unter Verwendung des AD698
Bei Verwendung eines universellen LVDT-Treiberbausteines ist das komplette Design der LVDT-Elektronik an die Eigenschaften des Bausteines anzupassen. Dies kann sehr problematisch werden, wenn der Baustein eines Tages abgekündigt wird. Bezüglich des AD698 (Analog Devices) ist genau das im Jahre 2023 erfolgt. Natürlich ist der Baustein nach Abkündigung noch für eine bestimmt Zeit verfügbar, doch reicht diese oft nicht aus, um schnell eine performante Nachfolgeelektronik zu entwickeln. Darüber hinaus hat man nach der Abkündigung mit steigenden Preisen zu kämpfen und versierte Broker für Elektronikkomponenten kaufen oft eine noch lagerhaltige Restmenge vom Hersteller ab. Beim Versuch der regulären Beschaffung stößt man auf Hinweise wie „discontinued“ oder „nicht mehr vorrätig“, während Broker diese Bauteile zu stark überhöhten Preisen wieder auf dem Markt anbieten – ein lukratives Geschäft.
Die Firma eddylab GmbH in Otterfing beschäftig sich seit vielen Jahren mit der Entwicklung und Herstellung von LVDT-Sensoren und Elektroniken. Dazu der Geschäftsführer Michael Reiter:
„Auch wir haben den AD698 über 20 Jahre verwendet, ich hatte aber immer die Befürchtung, dass der Baustein irgendwann abgekündigt wird und wir am Ende mit leeren Händen dastehen. Daher haben wir frühzeitig die Eigenentwicklung gestartet. Jetzt ist der Baustein tatsächlich abgekündigt und wir haben ein Nachfolgeprodukt in der Schublade.“
eddylab hat das Problem frühzeitig erkannt und die neue digitale LVDT-Elektronik „DEEneo“ unabhängig von einem universellen LVDT-Treiberbaustein auf Basis eines Microcontrollers entwickelt. Die Entwicklung war nicht aus der Luft gegriffen. da eddylab langjährige Erfahrung in der Entwicklung von Mikrocontroller-basierten Elektroniken für hochdynamische Wirbelstromsensoren hat-
Dennoch sind die Hürden der Entwicklungsleistung deutlich höher und nicht zu vergleichen mit einer einfachen Entwicklung unter Verwendung eines LVDT-Treiberbausteines wie dem AD698 von Analog Devices. Man benötigt ein ausgeklügeltes Konzept für die Demodulation - das Herzstück der LVDT-Signalverarbeitung.
Abb. 4: Digitale LVDT-Elektronik DEEneo unter Verwendung eines Mikrocontrollers
Grundlegend muss die LVDT-Elektronik ein rauscharmes, hochauflösendes und verzerrungsfreies Ausgangssignal bereitstellen. Bei der Entwicklung einer digitalen LVDT-Elektronik ist besonders darauf zu achten, die Störsignale des Mikrocontrollers zu unterbinden. Dazu ist ein aufwendiges Platinenlayout nötig mit penibel getrennten Masseflächen für den digitalen und analogen Bereich und die Verwendung von hochpräzisen Referenzspannungsquellen für die analoge Signalaufbereitung.
Des Weiteren ist besonderes Augenmerk auf die Erzeugung der notwendigen Versorgungspannungen der einzelnen Bauteile zu legen. Digital- und Analogteil müssen entkoppelt versorgt werden, damit ein mögliches Übersprechen von Störungen über die Versorgungsspannung vom Digital- zum Analogteil vermieden wird.
Durch die hohen Anforderungen im Bereich der Messtechnik eignen sich im Microcontroller integrierte ADCs und DACs nur bedingt. Zielführend ist nur die Integration externer Wandler mit einer Auflösung von mindestens 16 bit sowie die Kombination von analogen und digitalen Filtern. Die Problematik liegt im Mikrocontroller selbst, da viele verschiedene Taktfrequenzen vorliegen, welche an sämtlichen Ein- und Ausgangspins zu messbaren Störungen führen.
LSB (last significant bit) beschreibt die Schwankung der letzten digitalen Stelle als störende Ursache für quantisierende Signalsprünge im Ausgang - in etwa zu vergleichen mit einer Digitalanzeige einer Personenwaage und dem störenden Hin- und Herspringen der letzten Ziffer der Anzeige. Dies ist auch der Grund, warum kaum ein Mikrocontroller einen integrierten DAC mit einer Auflösung von größer 14-bit besitzt.
Der Einsatz externer Wandler mit hoher Auflösung erhöht die Komplexität des Designs, da zusätzlich zu den Kommunikationsschnittstellen, wie I2C oder SPI, auch die physische Integration in das System und das Management in der Firmware berücksichtigt werden müssen.
Durch die Nutzung eines weiteren ADCs kann der Temperaturkoeffizient des Systems aktiv kompensiert werden.
All dies führt zu längeren Entwicklungszeiten und höheren Systemkosten. Am Ende macht sich der Aufwand jedoch bezahlt und es lässt sich mit einer digitalen LVDT-Elektronik sogar eine erhöhte Systemauflösung, ein verbessertes Rauschverhalten sowie eine Temperaturkompensation realisieren. Auch die Konfiguration des Messsystems wird für den Anwender erheblich komfortabler.
Abb. 5: Vergleich analoge (links) vs. digitale LVDT-Elektronik (rechts)
Hat man die messtechnischen Aufgaben einmal gelöst und es liegt ein hochauflösendes Ausgangssignal vor, so lassen sich mit einer digitalen LVDT-Elektronik Prozesse wie z.B. der Abgleich zwischen LVDT-Sensor und LVDT-Elektronik vereinfachen sowie der gesamte Kalibriervorgang bis hin zur Speicherung des Kalibrierzertifikates automatisieren. Während bei den analogen LVDT-Elektroniken mit AD698 noch Lötkolben und Lupe für die Änderung der Versorgungsfrequenz der Primärspule notwendig waren oder DIP-Schalter auf der Platine für die Verstärkungsanpassung umgeschaltet werden mussten, so wird dies bei der digitalen LVDT-Elektronik DEEneo über ein kleines Softwaretool gelöst, welches die Konfiguration und Einstellung sämtlicher Parameter erlaubt. Auch mit Hilfe der Tasten an der Elektronik können viele Einstellungen durchführt werden. Zum Beispiel lässt sich der Abgleich der LVDT-Sensoren einfach und in wenigen Sekunden an der DEEneo durchführen. Dazu wird der ferromagnetische Kern des LVDT in die erste Endlage gebracht und einmal die SET-Taste gedrückt sowie ein weiteres Mal in der zweiten Endlage – fertig. Schon steht das analoge Ausgangssignal korrekt skaliert auf den gewünschten Messbereich zur Verfügung.
Autor: Michael Reiter, eddylab GmbH, 04/2025